Wovon Führungskräfte ausgehen können, wenn Sie wirksam führen wollen

Leadership im Umbruch (5)

Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit für eine Gruppe von etwa 20 UnternehmerInnen und Führungskräften eine „Learning Journey“ zum Thema Beschleunigung und Entschleunigung in Organisationen zu gestalten. Ziel war ein Austausch und ein gemeinsames Lernen zum Umgang mit Geschwindigkeit im eigenen Führungshandeln und in der eigenen Organisation. Gleichzeitig sollten auch Potenziale der Entschleunigung und des sich Sammelns gefunden werden. Erlebten doch alle TeilnehmerInnen zunehmenden Druck, Stress, Belastung bzw. ein Gefühl des „Laufens in einem immer schnelleren Hamsterrad“, wie es ein Geschäftsführer eines Planungsbüros formulierte. Die erste Station führte uns für zwei Tage zur Rennstrecke an den Red-Bull Ring in der Obersteiermark, den zweiten Teil der Reise verbrachte die Gruppe dann quasi als Konterpart im Stift Admont.

Ein Programmpunkt an der Rennstrecke bestand darin, dass jede/r TeilnehmerIn eine Runde mit möglichst hoher Geschwindigkeit über den Ring fahren sollte, und zwar als BeifahrerIn in einem 2-sitzigen Formel-3 Auto und chauffiert von einem professionellen Rennfahrer. Die Reflexion dieser Fahrt brachte eine Menge spannender Punkte zu Themen von Vertrauen, Kontrolle, Beobachtungsvermögen etc. an die Oberfläche. Besonders interessant scheint mir folgende Erfahrung eines Teilnehmers zu seiner Wahrnehmung des Meisterns von Kurven zu sein:

„Immer wenn wir in die Kurve hinein gefahren sind, da hat man gespürt, welch labiles System das ist, das Auto bricht aus, momentan glaubst du noch, jetzt passiert der Unfall, aber dann, der Fahrer hat sofort nachgesteuert, leicht gegengelenkt....dann gleich wieder, wieder sofort vom Fahrer reagiert, insgesamt drei, vier, fünf Mal in jeder Kurve, oder noch öfter, es ist ja alles so schnell gegangen.....das hat mich besonders beeindruckt, am Anfang habe ich mich noch gefürchtet, aber dann habe ich gemerkt, dass dieses immer wieder instabil werden und nachsteuern Teil seines Spiels ist.“

Dies wurde auch von den anderen BeifahrerInnen bestätigt. Das Steuern durch die Kurven ist ein Prozess ständiger Rückkoppelungsschleifen zwischen dem Fahrer und dem Auto: Der Fahrer beeinflusst dabei was das Auto macht, aber das Auto beeinflusst auch, was der Fahrer macht. Nur indem es dem Fahrer immer wieder gut gelingt, die Eigendynamik des Autos gut wahrzunehmen und dementsprechend nachzusteuern und dann auch gleich wieder zu beobachten, wohin dieser Steuerungsversuch führt, um dann wieder nachzusteuern etc...nur so kann die Fahrt durch die Kurve gelingen. Lineare Steuerung in dem Sinn „Ich schätze einmal ab wie ich die Kurve zu fahren habe und zieh das dann durch“ wäre hier völlig fehl am Platz.

Wir nähern uns mit dieser Analogie der Frage, wie Steuerung in Systemen möglich ist, die keine trivialen Maschinen darstellen? Denn wenn wir – wie im letzten Beitrag nahe gelegt – Organisationen aus einer systemischen Perspektive betrachten und Führungsprozesse daher ganz wesentlich an Aktivitäten von Selbstreflexion, gemeinsamen Lagebesprechungen, am Organisieren von Feedback und am Schaffen von adäquaten Räumen der Selbstthematisierung und Selbstorganisation anknüpfen, dann rückt nun das konkrete Führungshandeln ins Zentrum:

Wie komme ich als Führender mit den Personen, Gruppen, Abteilungen, Netzwerkpartnern etc., auf die ich tagtäglich in meinem Führungshandeln angewiesen und verwiesen bin, überhaupt in eine produktive Kommunikation? Was sollte mir dabei über die besondere Form des Führungshandelns als Interventionsprozess bewusst sein, damit mein Führungshandeln überhaupt Erfolgschancen hat?

Wenn das Modell der trivialen Maschine – wie in den letzten Beiträgen angesprochen – seine Gültigkeit immer mehr verliert, wovon können wir dann ausgehen? Ich möchte zur Klärung dieser Frage zunächst den in Blog 4 vorgenommenen systemischen Blick auf Organisationen noch erweitern und zuspitzen und auf das Differenzmodell eingehen, das Heinz von Förster seinem Bild der trivialen Maschine gegenübergestellt hat: Das Modell der nicht-trivialen Maschine.

Systeme als nicht-triviale Maschinen oder der zerstörte Traum einer berechenbaren Welt

„Gegeben ist ein System, eine Maschine, ein lebendes Wesen. Und das analytische Problem lautet: Wie funktioniert dieses System, diese Maschine, dieses lebende Wesen? Und kann man in einer endlichen Folge von Experimenten die operativen Eigenschaften bestimmen, die sich an der Beziehung von Reiz und Reaktion, Ursache und Wirkung ablesen lassen? Läßt sich die Transformationsregel herausbekommen? Im Fall der nichttrivialen Maschinen ist das analytische Problem, wie schon gesagt, prinzipiell unlösbar. Ihre Transformationsregeln hängen von Geschichte und Vergangenheit ab; sie sind vollständig unberechenbar – und das macht sie so schrecklich unbeliebt: Sie zerstören unseren Traum von einer berechenbaren Welt.“ (Heinz von Förster[1])

Nicht-triviale Systeme, dazu gehören aus der Perspektive der Systemtheorie sowohl Individuen als psychische Systeme wie auch soziale Systeme (zB.: Gruppen, Familien, Organisationen) zeichnen sich dadurch aus, dass es einen internen Kommunikations- und Verarbeitungsprozess gibt. Sie reagieren auf den Input UND den eigenen Zustand. Nach jedem Arbeitsgang kann der innere Systemzustand daher auch sein Programm ändern, sofern die Systemstruktur eben „lernt“. Das heißt, nicht-triviale Systeme sind geschichtsabhängig wie auch lern- und entwicklungsfähig, sie sind – wie schon in Blog 4 herausgearbeitet – autopoietische Systeme, die sich selbst und ihre Elemente aus sich heraus (re-)produzieren.

Die Annahme einer kausalen Ursache-Wirkungskette ist hier unhaltbar, d.h. es ist für einen externen Beobachter grundsätzlich undurchschaubar und unberechenbar wie die nicht-triviale Maschine auf einen bestimmten Input reagiert, denn die inneren Verarbeitungsprozesse weisen Eigendynamiken, Eigenlogiken und Eigensinn auf und entziehen sich durch interne Prozesse der Selbstorganisation einer linearen Steuerung von Außen[2].

Es kommt zu operativer Schließung als Fähigkeit eines Systems in einer der Umwelt gegenüber abgeschlossenen und nur auf sich selbst bezogenen Weise zu operieren. In Organisationen sind es Kommunikationsprozesse und Entscheidungen, die für Abgrenzungsprozesse zwischen Organisationen und ihren Umwelten sorgen. Die Akteure eines Systems sprechen miteinander, verabreden sich, machen gemeinsame Pläne und konstituieren in dieser Interaktion gemeinsam nach und nach ein organisatorisch geschlossenes, ein autonomes System. Der Output des einen Akteurs ist gleichzeitig der Input für den anderen und umgekehrt. es entsteht eine zirkuläre Fläche und eine zirkuläre Kausalstruktur. Indem die einzelnen Elemente innerhalb des Systems aufeinander reagieren, aufeinander Bezug nehmen, einander stimulieren und respondieren kann sich mit der Zeit stabiles Verhalten bilden. Es können Muster entstehen.

Gleichzeitig zum Prozess der operativen Schließung sind soziale Systeme jedoch auch offen für Energie- und Materialaustausch mit ihren Umwelten. Das heißt, die Organisation kann sich  selektiv gegenüber ihren Umwelten öffnen und Bezüge bzw. Koppelungen herstellen. Dabei werden in der Interaktion mit den Umwelten jene Kommunikationen, Handlungen, Erwartungen und Entscheidungen als relevant betrachtet und im System bearbeitet, welche sich für die spezifischen, kognitiven, semantischen und sozialen Strukturen, die im inneren des Systems im Zusammenspiel der Teilsysteme ausgebildet wurden, als anschlussfähig erweisen (Willke 1996).

Nicht-triviale Systeme zeichnen sich durch eine nicht zu überschauende potenzielle Komplexität aus. Steuerungsversuche die darauf basieren, im Sinne eines umfassenden Planungs- und Kontrollprozesses erst alle Informationen darüber einzuholen, wie sich die einzelnen Systemelemente verhalten und dann durch entsprechende Anordnungen zu handeln, sind daher schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt. Erstens ist die Komplexität zu groß, zweitens sind die Informationen durch die permanente Dynamik sofort wieder veraltet.

Ein neues Leadership Mindset: Dritte Schlussfolgerungen[3]

Wenn ich im Rahmen von Beratungsprozessen oder Führungstrainings dieses Modell kurz vorstelle kommt meist von zumindest einem, oft auch von mehreren TeilnehmerInnen manchmal resigniert manchmal auch leicht verzweifelt die Frage: „Und wie soll ich in einer solchen Gemengelage denn überhaut steuern können, wie kann ich unter solchen Voraussetzungen meiner Führungsverantwortung nachkommen, wo doch eh jeder Steuerungsversuch vom System abgewehrt wird?“

Dazu könnten folgende Schlussfolgerungen und Anregungen vielleicht hilfreich sein:

Als Führender sind Sie Teil des zu führenden Systems

Betrachten Sie sich als Führende/r Steuernde/r selbst als Teil des zu steuernden Systems! In dem Augenblick, in dem Sie einen Impuls zur Systemveränderung setzten stehen Sie nicht mehr Außen, sondern ´mitten drinnen´. Ihr Handeln in Bezug auf das System ist eine Reaktion auf früheres Handeln und vorangegangene Zustände des Systems und wird im Sinn der Zirkularität auch wieder auf Sie zurückwirken.

Auch wenn Sie nur beobachten hat das Konsequenzen im System

„Man kann in eine menschliche Sozialstruktur ja nicht hineinschauen wie in ein Aquarium und annehmen, dass sich dadurch nichts verändert.“ (Schwarz, 2005, S.44) Machen Sie sich bewusst, dass auch Beobachtung (zB. Kontrolle) eine Form von Handeln ist, das vom System beobachtet wird und auf das reagiert wird.

Das primäre Ziel einer Organisation ist ihr eigenes Überleben

Hat eine Organisation – aber auch ein relevantes Subsystem einer Organisation – erst einmal das Licht der Welt erblickt, so ist als autopoietisches System ihr primäres Ziel von nun an ihr eigenes Überleben. Ihr mögen von verschiedenen Stakeholdern andere Ziele zugeschrieben werden oder angedacht sein, doch bevor sich eine Organisation bewusster Entscheidungen über Ziele und Zwecke verschreiben kann, aber diese sind dann Mittel zum Zweck der Primärfunktion, des eigenen Überlebens. Machen Sie sich diese Konsequenz für ihr Führungshandeln nutzbar.

Bescheidenheit: Gehen Sie davon aus, dass die Dinge anders kommen, als Sie erwarten

Wenn Sie das System steuern oder verändern wollen und eine dazu scheinbar passende Handlung setzen, gehen Sie nie davon aus, dass genau das passiert, was Sie sich erwartet haben. Sie enttäuschen sich dadurch zu oft selbst, das stärkt ihre Handlungsfähigkeit nicht. Sie können zwar ihren Steuerungsimpuls wählen, aber der gesamte Prozess der Informationsverarbeitung passiert innerhalb des Systems, in das sie eingreifen wollen. Als Führungskraft können Sie daher nicht einfach eine Information an ein Zielsystem übertragen, denn die Information wird erst systemintern konstruiert, d.h. die Botschaft die Sie zu senden versuchen wird vom Zielsystem erst auf eine ganz bestimmte Art und Weise wahrgenommen und in der Folge als Basis eigener Interaktionen weiter verwendet.

Führung ist dennoch möglich

Aus der Innenperspektive des Systems entsteht daher tatsächlich der Eindruck, dass das System autonom ist. Interne Prozesse schließen permanent aneinander an und garantieren damit die Systemreproduktion. Das System erscheint aus dieser tatsächlich unsteuerbar und Führung wirkungslos. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen!

Nutzen Sie die „windows of opportunity“

Versuchen Sie den Fokus darauf zu legen, dass Individuen und soziale Systeme in ihrer operativen Geschlossenheit auch eine gewisse und selektive Offenheit gegenüber ihren Umwelten aufweisen. Hier öffnet sich das Tor zu Führung und Steuerung.

Versuchen Sie jene Gelegenheiten, Zeiten, Orte und Räume wahrzunehmen und zu nutzen, in welchen das System sich gegenüber ihrem Steuerungsanliegen als offen erweist und bringen sie dieses so ein, dass es das System ausreichend irritiert um wahrgenommen und bearbeitet zu werden, aber auch so dosiert, dass es nicht als Zumutung empfunden wird und daher abgestoßen. Ihr Anliegen muss sich im System als anschlussfähig erweisen. Eine Balance zwischen ausreichender Irritation und dennoch ausreichender Zumutbarkeit kennzeichnet die hohe Kunst der Führung.

Beobachten Sie Rückkoppelungen und achten Sie auf Muster und Abweichungen

Es zeigen sich schließlich doch Zusammenhänge zwischen Steuerungsimpulsen durch Steuernde und den Systemreaktionen (zB. Kommunikationen in einer Abteilung, Handlungen einer Teamleiterin). Diese Systemreaktionen können aber nur beobachtet und erschlossen werden, nicht aber vorhergesagt und berechnet.

Führen heißt daher, den entstehenden Rückkoppelungsprozess aus Steuerungsimpulsen und Systemreaktionen gut zu beobachten und Rückschlüsse auf die inneren Strukturen und Prozesse des Systems zu ziehen.     
Manchmal werden Muster sichtbar und es wird möglich, Voraussagen oder zumindest Annahmen zu treffen, wie sich das System bei einem bestimmten Input verhalten wird (ohne allerdings genau erklären zu können was passiert, von einem analytischen Standpunkt aus bleibt das unerklärbar).          
Auf der anderen Seite kann jede Abweichung vom erwarteten Ergebnis immer als Information über das Verhalten des Systems genutzt werden.

Kommunizieren Sie

Das Mittel der Wahl um solche Beobachtungs- und Erschließungsprozesse zu unterstützen, voran zu treiben und im Ergebnis zu präzisieren ist Kommunikation. Bleiben Sie im Gespräch, fragen Sie nach dem Hintergrund von Abweichungen und kommunizieren Sie vor allem Ihre Erwartungen.
Versuchen Sie, wo immer das möglich ist, die ihrem Handeln zu Grunde liegenden Motive und Rahmenbedingungen in Form eines ´Beipackzettels´ mit zu kommunizieren. Warum haben Sie entschieden, wie sie entschieden haben? Können ihre MitarbeiterInnen ihre Handlungen und Entscheidungen auch nachvollziehen? Ein solcher ´Beipackzettel´ ist wahrscheinlich gerade immer dann hilfreich, wenn Ihnen selbst Ihre Sache als ´völlig logisch´ erscheint, und Sie daher gar nicht auf die Idee kommen, dass es da vielleicht auch noch eine weitere Erklärung brauchen könnte (sie auch Blog 4: Unterschied zwischen Absicht und Wirkung).

Legen Sie ihr Führungshandeln und ihre Steuerungsimpulse als Interventionen an

Ein realitätsgerechteres Verständnis von Führung knüpft an der oben heraus gearbeiteten Selbstorganisation und Komplexität der Organisationsgeschehnisse an und konzipiert Führungshandeln als Abfolge von Interventionen.

Intervention (vgl. Willke 1987, S.333) ist zu verstehen als zielgerichtete Kommunikation zwischen psychischen und/ oder sozialen Systemen. Dabei wird zwar eine bestimmte Wirkung beim Kommunikationspartner/ im Zielsystem beabsichtigt, gleichzeitig wird aber dessen Autonomie respektiert und in das Kalkül gezogen, dass das Ergebnis ungewiss ist. „Systemische Intervention könnte eine zielgerichtete Kommunikation genannt werden, in der man sich der prekären Ausgangslage des Versuchs der wirkungsvollen Beeinflussung eines autonomen sozialen Systems bewusst ist.“ (Königswieser & Exner 2006, S.17).

Das klassische lineare Verständnis von Führungsintervention (Datenanalyse, Planung, Anweisung, Erwartung dass das Ergebnis so eintritt) wird so zu einem kreishaften und zirkulären. Die Planung von Interventionen ist auch hier notwendig, sie geht aber nicht mit der Erwartung einer linearen Wirkungserzielung einher. Der Fokus liegt auf dem gesamten schleifenförmigen Interventionsprozess der von der intervenierenden Führungskraft zu managen ist und in einem systemischen Verständnis grundsätzlich davon ausgeht, dass Erkenntnis wie Veränderung nie definitiv ist, sondern etwas de facto Unabgeschlossenes und von der Einschätzung des intervenierenden Beobachters abhängiges.

Innerhalb des Interventionsprozesses können daher mehrere „Nachjustierungen“ in Form eines neuerlichen Durchlaufens dieser Schleife erforderlich sein. Zwischen der intervenierenden Führungskraft und den Systemreaktionen entsteht ein Regelkreis oder Feedbackprozess, auf dessen Rahmen und Gestaltung die Führungskraft prozesssteuernd wirkt. Hier zeigt sich, dass das Ergebnis einer Intervention zwar wichtig ist, mindestens ebenso sehr aber auch der Prozess. Und spätestens hier offenbar sich auch die Analogie der einleitenden Geschichte des Befahrens der Kurven am A1 Ring zum Thema wirksamer Führung.

Die Führungskraft als Gärtner

Für das Agieren der Führungskraft im Rahmen nicht-trivialer Systeme führen Wimmer & Schumacher (2009, S.174f.) – unter Bezugnahme auf Willke (1995) die Tätigkeit eines Gärtners als adäquate Metapher ein: „Man kann Rahmenbedingungen schaffen, die im Sinne einer indirekten Steuerung Möglichkeiten bieten, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich das Unternehmen in die gewünschte Richtung entwickelt.“

Auf dieses Verständnis gründend tun Führungskräfte in Organisationen nach Meissner/ Wolf/ Wimmer (2009, S.28) vor allem Folgendes:

  • Sie versorgen die Organisation in Hinblick auf ihre jeweils relevanten Umwelten mit Unterscheidungen und gewinnen daraus die entscheidenden Entwicklungsimpulse für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich
  • Sie leisten horizontale und vertikale Verknüpfung von Systembestandteilen, im Sinne einer Koordination durch Selbstbindung der beteiligten Systeme
  • Sie betreiben organisationale Sinnstiftung durch das formulieren und verbreiten von sinnvollen Theorien, Erklärungen, Legitimiationen
  • Sie geben den Organisationsmitgliedern Orientierung, denn diese haben die Möglichkeit der Zurechnung von Entscheidungen (Personalisierung).

Eine zentrale Aufgabe der Führungskraft besteht insbesondere darin, als Schnittstelle zu den relevanten Umwelten zu fungieren, um die Organisation, „mit den notwendigen Irritationen und Anstößen aus der Umwelt bzw. von den Kunden zu bzw. von den Märkten zu versorgen.“ (Wimmer und Schumacher 2009, S.175).


[1] Zit in: Foerster, H.v. & Pörksen, B. (2003).  Die gesamte in diesem Beitrag im Text angeführte Literatur findet sich im für diesen Blog zentralen Literaturverzeichnis.

[2] Simon (2009, S.54f.) spricht in diesem Zusammenhang von der Strukturdeterminiertheit autopoietischer Systeme und gibt folgendes Beispiel: „Man schubst einen Menschen und er wird – bestimmt durch seine aktuellen Strukturen und Zustände – entweder das Gleichgewicht verlieren oder umfallen, oder er wird gegensteuern, den Stoß ausbalancieren, zurückschlagen, seinen Peiniger küsse, was immer.....Der ´Schubser die von Außen einwirkende Kraft, löst eine durch innere Abläufe bestimmte, für den Beobachter nicht beobachtbare und nicht vorhersehbare Reaktion aus. Nicht einmal das Opfer dieses ´Geschubstwerdens´ kann als Selbstbeobachter sicher vorhersagen, ob es umfallen oder das Gleichgewicht wiedergewinnen wird, da auch ihm die sein Verhalten bestimmenden Prozesse nicht durchschaubar sind. Die Interaktion zwischen demjenigen, der schubst, und demjenigen, der geschubst wird, ist keine geradlinig-kausale Beziehung im klassischen Sinn, da der Stoß zwar der Auslöser der Reaktion ist, sie aber nicht eindeutig festlegt.“

[3]  Diese Schlussfolgerungen und Anregungen sind auch in Ergänzung und Vertiefung zu sehen zu jenen „Ersten und zweiten Schlussfolgerungen“ die in Blog 5 und Blog 6 anknüpfend an eine systemische Betrachtungsweise von Organisationen und ihren Paradoxien entwickelt wurden.