März 2013

Führungskräfte unter Druck

von Kurt Mayer (Kommentare: 0)

Leadership im Umbruch (1)

Führungskräfte sind zunehmend unter Druck. Dieser Befund ist einhellig, er wird zur Zeit in den Wirtschaftsteilen der Tageszeitungen genau diskutiert, wie in den Fachzeitschriften für Management und Beratung oder in Talk-Shows und Fernsehbeiträgen. Die Agentur Ketchum Publico hat in ihrem Leadership Monitor 2012 hervorgestrichen, dass weltweit ist nur ein Drittel der MitarbeiterInnen mit ihren Führungskräften zufrieden ist[1].

Angesichts dieser oftmals konstatierten "Krise der Führung" möchte ich mich daher in den nächsten Blogbeiträgen unter dem Label "Leadership im Umbruch" den Rahmenbedingungen und den Herausforderungen widmen, in welche Führungshandeln heute eingebettet ist. Was sind tatsächlich die Probleme? Sind Lösungen und Auswege am Horizont erkennbar? Was kann aus der Perspektive der Beratung getan werden? Im diesem anfänglichen Beitrag soll es um eine erste Bestandsaufnahme von Problemen, Herausforderungen und Erwartungen gehen, welche das Handeln von Führungskräften heute prägen.

Die Erfahrung aus vielen Beratungsprojekten, Trainings und Coachings ist, dass Führungskräfte zunehmend Schwierigkeiten haben, ihre Rollen zu finden. Oft scheint sich Führungshandeln angesichts dynamischer und komplexer Umwelten aufzulösen: In für MitarbeiterInnen beliebig erscheinende Zick-Zack-Kurse und willkürliche Ad-hoc Entscheidungen von Führungskräften.

Im Kontext einer unübersichtlichen Landschaft mit vielfältigen und widersprüchlichen Interessen entwickelt sich Führungshandeln scheinbar arbiträr zwischen zwei Polen: Heldenhaften Machbarkeitserwartungen und –phantasien wie sie auch an vielen Managementschulen gelehrt werden einerseits und Ohnmachtsgefühlen andererseits, die immer wieder erfahren werden, wenn die Machbarkeitsansprüche an die Grenzen einer komplexen und dynamischen Wirklichkeit stoßen.

Dieser enorme Gap zwischen Machbarkeitsphantasien und Ohnmachtsgefühlen findet seinen Spiegel in den  Erwartungen, welche auch die Gesellschaft an Führungskräfte hat (Mirvis et al. (2010)[2] Einerseits gibt es rasant steigende Erwartungen der Gesellschaft an die Ziele und die Wirkung des Managements -- wie z.B. „Not harming the environment“, „Treating employees fairly“, „Ensuring responsible supply chain“ , „Providing quality products/services at lowest price”, “Reducing impact on climate change”. Andererseits kommt es gleichzeitig zu einem ebenso drastischen Verfall des Vertrauens der Bevölkerung gegenüber den Business Leaders, jedenfalls in den entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften.

Realstrategien des „Durchfrettens und Durchwurstelns“ sind in der Praxis immer öfter die Folge die Folge. Führungskräfte konzentrieren sich auf das eigene Überleben im Konkurrenzsystem der eigenen Organisation. MitarbeiterInnenführung, proaktive Organisationsgestaltung und Strategiearbeit als zentrale Führungsfunktionen geraten außer Blick.

Die Folge sind Demotivation und brachliegende Potenziale bei den MitarbeiterInnen, eine Kultur des Mißtrauens in der Gesamtorganisation und damit Innovationsblockaden und Leistungsverlust. Diese Art der Nicht-Führung bzw. des Nicht-Verantwortens von Führung wird zunehmend auch als Ursache der seit 2008 andauernden Wirtschafts- und Finanzkrise diskutiert. So stellt etwa Danica Purg, langjährige Rektorin und Professorin an der IEDC School of Management in Bled, den Beginn der Finanzkrise auch in Zusammenhang mit einem Führungsverhalten, das risikoaffin und relativ losgelöst von Verantwortlichkeiten und enggeführt auf eigene Interessen ausgerichtet ist. “Leaders did not only fail to prevent the crisis, but also caused it by irresponsible risk-taking, often serving their own personal financial interests”. (Purg 2010)[3]

Wichtig ist, dass es hier nicht um das Handeln oder gar um moralische Verfehlungen von einzelnen Führungskräften geht. Das mag es im Einzelfall auch geben, hat aber für die Analyse der Rolle, welche Führung in Unternehmen heute einnimmt, wenig Bedeutung. Mir geht es hier um Führung als gesellschaftliches Phänomen und als relevante Ressource der Entwicklung von Organisationen. Als solche ist Führung in der Krise.

Was sind die Ursachen der Führungskrise, was hält die Krise aufrecht? Welche Strategien und Optionen gibt es in der Führungskräfteentwicklung und auf Ebene der Organisationsentwicklung, um Führung wieder zu einer wirksamen und verantwortlichen Funktion im Sinne der nachhaltigen Leistungsentwicklung von Organisationen zu machen? Was können Führungskräfte tun, um Führung wirkungsvoll im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Organisation  zu leben? Mit diesen Fragen werde ich mich in den nächsten Beiträgen beschäftigen.


[2] Die gesamte in diesem Beitrag angeführte Literatur findet sich im für diesen Blog zentralen Literaturverzeichnis.