März 2014

Selbstkompetenz

von Kurt Mayer (Kommentare: 0)

Was Führungskräfte und Organisationen können sollten, wenn sie wirksam führen wollen (1)

Verfügen Führungskräfte und Organisationen gegenwärtig über jene Kompetenzen und Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, wirkungsvoll zu führen? Was sollten Führungskräfte können, angesichts eines komplexen und ambivalenten Anforderungsdschungels von turbulenten, unübersichtlichen und sich permanent verändernden Umwelten?

Diese Fragen drängen sich nach den letzten Blogbeiträgen zum Themenfeld ´Leadership im Umbruch´ geradezu auf.

Im Frühsommer 2010 führte ich ein aufschlussreiches Gespräch mit dem Österreich-Geschäftsführer eines deutschen Pharma-Unternehmens (im Folgenden Herr GF genannt).  Dieses Gespräch war Teil einer Interviewserie mit Führungskräften im Rahmen einer Studie zur Entwicklung von Führungskompetenzen, die ich gemeinsam mit KollegInnen der Universität Klagenfurt damals durchgeführt habe (Mayer et al. 2010). Interessant war dieses Interview für mich vor allem deswegen, weil es ein zentrales Ergebnis der gesamten Studie fast prototypisch auf den Punkt brachte: Die überragende Bedeutung von Selbstkompetenz als Gesamt von emotionalen und sozialen Kompetenzen und von Kompetenzen der Selbstthematisierung und Selbstreflexion.

Selbstkompetenz als Herz der Führungskompetenzen

Auf meine Frage, welche Herausforderungen sich für seine Organisation mit Blick auf eine mögliche Führungsentwicklung stellen, verweist Herr GF zunächst auf die gerade für junge Führungskräfte sich stellende Herausforderung, das eigene Selbstbild durch Abgleich mit Fremdbildern zu relativieren und zu entwickeln.

„Am Anfang, gerade für die, die am Anfang der Laufbahn stehen, gibt es ein paar grundsätzliche Dinge, die ich für sehr wichtig halte. Das eine ist Selbstreflexion, Eigenbild/Fremdbild, daß man da sehr früh beginnt, weil ich erlebe auch bei jungen Leuten oft schon, daß sie glauben, sie haben schon das Zeug für den großen Marketingleiter und wundern sich warum sie nicht an der Stelle sitzen, aber es fehlt völlig an diesem realistischen Eigenbild.“

Ein zweiter daran anknüpfender Punkt zielt auf die Notwendigkeit, sich selbst relativieren und hinterfragen zu können und Fehler eingestehen zu können

„Also das habe ich früher unterschätzt und da schaue ich heute mehr darauf und das man da halt konsistent ist seinem Handeln. Und wenn man dann einmal nicht konsistent war auch bereit ist, sich zu entschuldigen und zu sagen, nein da habe ich mich falsch entschieden, weil das passt eigentlich nicht und aus den und den Gründen nehme ich die Entscheidung zurück. Also auch das gehört dazu.“

Ein weiterer Punkt stellt auf eine achtsame Kommunikation ab, um Gemeinsamkeiten zu finden und Konflikten vorzubeugen.

„Das, ich meine ich bin da halt auch ein bisschen Konstruktivismus, ich sage halt der Griff ist rechts und die sagen der ist links und beide haben recht. Man versucht die Sichtweise des anderen erst einmal zu verstehen bevor man seine Dogmen aufstellt. Es ist ja nicht so, dass man im Alter zwingend klüger wird, oft wird man ja auch engstirniger und ich glaube das ist ein zweiter wichtiger Punkt, daß man hier einfach auch vom Gespräch von der Kommunikation, wenn ich sehe wie viele Konflikte einfach nur deshalb entstehen, weil beide recht haben und beide recht haben wollen und dann aber nicht mehr versuchen, das auch mal zu klären, warum das so ist.“

Der letzte Punkt weist auf die Sensiblität für Strukturen und Regeln und deren Entwicklung hin.

„Und das vierte ist halt so ein bisschen sehr schwer zu lehren glaube ich, weil das muss man erleben, dass man so im Zusammenleben gewisse Regeln braucht, damit die Einzelnen sich dann frei entfalten können. Und das ist für mich was, wo ich halt auch mit den Kindern gelernt habe und ob das im Unternehmen oder mit den Kindern oder im Sportverein ist, das ist überall das gleiche. Wenn die Regeln nicht klar sind, dann weiß keiner wie weit er gehen kann, und sieht auch gar nicht, welche Freiräume er hat und dann gibt es unnötige Verletzungen und Kompetenzstreitigkeiten.

Tatsächlich bestätigen die schon angesprochene Studie (Mayer et al. 2010) sowie auch viele Gespräche die ich im Rahmen von Trainings und Beratungen immer wieder führe, die besondere Relevanz der von Herrn X angesprochenen Themenfelder.

Die Kompetenz der Selbstführung wird immer wieder prominent angesprochen und zwar unter folgenden Gesichtspunkten:

  • Innehalten;
  • Wahrnehmen, Beobachten und Unterscheiden; die Fähigkeit Beobachtungen zu machen, Unterschiede und Widersprüche wahrzunehmen und erstmals beschreibend zu verarbeiten (nicht gleich erklären und bewerten);
  • relevante Unterschiede und Widersprüche zwischen dem Selbst und anderen wahrzunehmen, erst einmal auszuhalten und damit einen Umgang zu finden; dabei eigene Gefühle wahrnehmen, beschreiben, befragen und einschätzen – Gefühle zum Denken nutzen und nicht gleich dem ersten Handlungsimpuls zu folgen;
  • die Fähigkeit, Distanz zu entwickeln zum unmittelbaren Geschehen, zu den unmittelbar drängenden Entscheidungsnotwendigkeiten, so etwas wie innere Distanz zu gewinnen, um besser entscheiden zu können;
  • die Eigenschaften der eigenen Persönlichkeit kennen(lernen) und die eigenen Interessen und Werte zu ergründen;
  • sich selbst motivieren zu können und Gratifikationen aufschieben zu können;
  • Empathie zu üben, sich auf Personen und Situationen einlassen;
  • Präsent zu sein, als Fähigkeit, sich auf das zu konzentrieren, was im Hier und Jetzt geschieht;
  • In guter Verbindung zu sich selbst und den eigenen Bedürfnissen zu sein und gleichzeitig auch zu meinen KommunikationspartnerInnen und ihren Bedürfnissen;
  • Fragen und Zuhören lernen, andere Perspektiven wahrzunehmen und Feedback nachzufragen wie Feedback zu geben;
  • Das notwendige Maß an Selbstreflexion zu entwickeln und in der Lage sein, das eigene Bild individuell und kollektiv mit dem Fremdbild anderer Bezugsgruppen zu verbinden;

Ich habe im Blogbeitrag 10 zum Thema ´Neuroleadership´ schon ausgeführt, daß die Entwicklung und Aktivierung eines Systems der Selbststeuerung im Kontext erfolgreicher Führung auch für die neuere Hirnforschung von zentraler Bedeutung ist. Erst der gelingende Zugriff auf das Selbst verbindet erkennende und kognitive Leistungen mit Emotionen und Körperwahrnehmungen und bezieht dadurch Informationen wie es zB. um die eigene Bedürfnisbefriedigung aussieht in Entscheidungsprozesse mit ein.